#3 - Risikobild 2024
Shownotes
Krieg in Europa, Krisen und Konflikte auf der ganzen Welt - müssen wir uns fürchten? Diese Frage stellt Ute Axmann in der dritten Folge von HEERgehört Generalmajor Peter Vorhofer, der kürzlich zum nationalen Sicherheitsberater ernannt wurde.
Euch hat diese Folge gefallen? Dann folgt uns und lasst eine positive Bewertung da. Für Feedback, Fragen oder Ideen zu neuen Folgen schreibt uns eine Mail an podcast@bundesheer.at.
Ihr wollt keine Bundesheer-News verpassen? Dann schaut vorbei auf bundesheer.at oder folgt uns auf Instagram, Facebook, TikTok und YouTube.
Transkript anzeigen
00:00:00: Die russische Föderation hat die zwei Schwachpunkte des Westens glasklar analysiert.
00:00:08: Das Wehren haben wir verlernt.
00:00:11: Der größte Trugschluss ist, dass die Freunde alles abfangen.
00:00:15: Aus militärischer Sicht muss man natürlich sagen, dass noch Luft nach oben ist.
00:00:19: HEERgehört, der Bundesheer Podcast.
00:00:30: Der Ukraine-Krieg in Europa, der Brandherd im Nahen Osten.
00:00:34: Krisen und Konflikte auf der ganzen Welt.
00:00:36: Müssen wir uns fürchten?
00:00:38: Hallo und herzlich willkommen beim Bundesheer-Podcast "HEERgehört".
00:00:42: Mein Name ist Ute Axmann und ich freue mich, dass ihr dabei seid und zuhört,
00:00:46: wo ihr immer ihr jetzt gerade auch seid.
00:00:48: Wir befinden uns heute im Studio der Heeres-Bild- und Filmstelle in der Stiftskaserne in Wien
00:00:53: und mir gegenüber sitzt Generalmajor Magister Dr. Peter Vorhofer.
00:00:57: Er war bis vor kurzem der Leiter der Direktion Verteidigungspolitik
00:01:01: und internationale Beziehungen im Verteidigungsministerium.
00:01:04: Und darüber werden wir heute auch sprechen.
00:01:06: Und nun hat er die neue Position des nationalen Sicherheitsberaters
00:01:11: als Krisenkoordinator der Republik Österreich bekommen
00:01:14: und wird dann in Zukunft die Bundesregierung im Bundeskanzleramt beraten,
00:01:18: damit sie in Krisensituationen wie Pandemien, einem Blackout
00:01:21: oder bei Hybriden Bedrohungen effizient vorgehen kann.
00:01:24: Herr Generalmajor, herzlichen Glückwunsch und danke,
00:01:27: dass Sie sich heute Zeit für uns genommen haben.
00:01:29: Ja, es ist mir ein Vergnügen, über dieses Thema zu sprechen.
00:01:33: Was sind eigentlich Ihre Aufgaben und was machen Ihre Abteilungen?
00:01:37: Grundsätzlich ist die Verteidigungspolitik und die internationalen Beziehungen
00:01:42: so aufgesetzt, dass wir einen großen Bereich haben,
00:01:45: der nennt sich Militärpolitik, der befasst sich hauptsächlich
00:01:49: mit internationalen Organisationen.
00:01:51: Also was kann man sich darunter vorstellen? Die EU, die NATO, die UN,
00:01:56: die OSZE oder ähnliches.
00:01:58: Dann haben wir einen großen Bereich, der umfasst die Militärdiplomatie.
00:02:02: Das bedeutet, alle Beziehungen, die das Bundesministerium
00:02:06: bzw. das Bundesheer zu Nationen hat,
00:02:10: das sind in etwa 70 Nationen und da haben wir strukturelle Beziehungen.
00:02:15: Also das heißt eigentlich eine sehr, sehr große Anzahl.
00:02:18: Der dritte Bereich ist der, der nennt sich Verteidigungspolitik und Strategie.
00:02:23: Das heißt also, dort machen wir alles, was mit großen Strategien zusammenhängt,
00:02:28: vielleicht bekannt ist die österreichische Sicherheitsstrategie,
00:02:32: also die Teile, die das Verteidigungsministerium dazu macht,
00:02:36: oder eine KI-Strategie oder eine Weltraumstrategie.
00:02:39: Also sehr grundsätzliche und große Dokumente.
00:02:44: Und die vierte Abteilung ist die Abteilung Wissenschaft, Forschung und Entwicklung.
00:02:49: Da geht es um die Zukunft.
00:02:51: Das heißt, wie schaut das Bundesheer im Jahre 2040 und danach aus?
00:02:56: Also da ist es so, da müssen wir uns weit gedanklich nach vorne bewegen,
00:03:01: um deren Arbeit sozusagen zu verstehen.
00:03:05: Aber das macht es auch wieder super spannend.
00:03:07: Und das umfasst sozusagen das ganze Gebiet der Verteidigungspolitik
00:03:10: und der internationalen Beziehungen.
00:03:12: Aber dazu gleich meine erste Frage.
00:03:14: Es gibt eben Krieg in Europa, Krisen und Konflikte auf der ganzen Welt,
00:03:18: dazu der Klimawandel mit Naturkatastrophen.
00:03:21: Müssen wir uns fürchten?
00:03:22: Ist die Welt gefährlicher geworden?
00:03:24: Fürchten müssen wir uns nicht, aber sie ist gefährlicher geworden,
00:03:28: das muss man schon sagen.
00:03:30: Und es wäre fatal, auf das nicht zu reagieren.
00:03:33: Ich sehe das ein bisschen so,
00:03:36: vor allem wenn man es aus der Perspektive der Europäischen Union sieht,
00:03:40: wie wenn wir in den letzten 30 Jahren unsere Wohnzimmer eingerichtet hätten.
00:03:46: Und durch leichtes Rascheln sind wir aufmerksam gemacht worden,
00:03:50: dass wir die Fenster öffnen.
00:03:52: Und wir machen die Fenster auf und wir stellen fest,
00:03:54: es ist ein großer Sturm draußen, den wir nicht mitbekommen haben.
00:03:58: Und die Folge ist, dass wir uns hauptsächlich nach innen,
00:04:02: also mit der Innenarchitektur beschäftigt haben,
00:04:05: aber nicht mit der Außenarchitektur.
00:04:07: Und das ist sozusagen ein Problem,
00:04:10: sowohl der Europäischen Union als auch der einzelnen Mitgliedstaaten,
00:04:14: oder fast alle, muss man sagen.
00:04:16: Und wir sind jetzt konfrontiert, dass uns der Wind ganz stark entgegenbläst
00:04:21: und wir nicht wissen, ob unser Haus standhält.
00:04:23: Und das ist sozusagen die Herausforderung,
00:04:26: warum die Welt anders geworden ist.
00:04:29: Vielleicht gehen wir noch auf das ein, was die Ursachen dazu sind.
00:04:33: Aber warum verändert sich die Welt?
00:04:35: Die Welt verändert sich aus einem, es ist ein Hauptgrund,
00:04:41: muss man sagen, es gibt natürlich mehrere.
00:04:43: Aber ein Hauptgrund ist, dass die Dominanz der westlichen Sicht
00:04:49: auf die Welt zerfällt.
00:04:52: Und das hat Ursachen.
00:04:55: Eine Ursache liegt sicher darin,
00:04:58: dass die Vereinigten Staaten sich aus diesem Szenario
00:05:03: immer weiter zurückziehen.
00:05:05: Und man muss natürlich auch sagen, dass die USA,
00:05:09: vor allem in den Vereinten Nationen,
00:05:11: auch manchmal besser, manchmal schlechter, muss man sagen,
00:05:15: versucht hat immer dieses Modell des Idealismus aufrecht zu erhalten,
00:05:19: der besagt, dass sozusagen durch eine international übergeordnete Institution,
00:05:25: die Anarchie auf der Welt eingeschränkt wird.
00:05:28: Dieses Modell hat begonnen zu bröckeln.
00:05:31: Und vielleicht kennt es jeder mit den Wahlen vom Präsident Trump,
00:05:37: der sozusagen dann die USA, sozusagen aus dieser Verantwortung,
00:05:42: immer weiter herausgenommen hat.
00:05:44: Und das hat dann einen Dominoeffekt ausgelöst.
00:05:47: Stellen wir uns vielleicht vor, wenn wir das hören,
00:05:50: stellen wir uns drei Kreise vor.
00:05:52: Und der äußere Kreis ist der globale Kreis,
00:05:55: der dimensioniert die globale Situation.
00:05:58: Wir haben einen mittleren Kreis, der die Europäische Union vielleicht darstellt.
00:06:04: Und wir haben einen inneren Kreis, der vielleicht die einzelnen Staaten,
00:06:08: also auch Österreich, darstellt.
00:06:10: Und zentrales Element dieses ganzen Konstruktes bis zum Jahre 2016 war immer der Umstand,
00:06:20: dass die Vereinten Nationen unter maßgeblicher Führung der USA
00:06:26: diese regulierte Weltordnung versucht haben aufrecht zu erhalten.
00:06:32: Mit dem Rückzug der USA aus dem Ganzen ist die regulierte Weltordnung
00:06:39: hat begonnen zu zerbröckeln, sich aufzulösen.
00:06:42: Das bedeutet, dass Völkerrecht hat immer weniger an Bedeutung gehabt.
00:06:47: Entschuldigung, warum aber gerade 2016?
00:06:49: Weil dort Präsident Trump gewählt wurde
00:06:52: und mit America First ist dieser Prozess eingeleitet worden.
00:06:57: Es gibt natürlich auch andere Faktoren,
00:06:59: das war dann zum Beispiel die Tatsache, dass andere Nationen wie Indien oder Südafrika
00:07:06: - also wir haben ja deine Landkarte. - Ja genau, dass die immer stärker werden.
00:07:10: Aber diese Faktoren und diese Vorgänge unterstützen sich gegenseitig.
00:07:16: So, beginnt jetzt der äußere Kreis sich langsam aufzulösen,
00:07:21: hat es natürlich auf den nächsten Kreis ebenso Auswirkungen.
00:07:25: Und vor allem dann, wenn wir die Europäische Union als 100% Regelungspolitik definieren wollen.
00:07:33: Das bedeutet, dass die übergeordnete Ebene das Völkerrecht oder der rechtliche Aspekt
00:07:40: immer weniger Wert hat
00:07:42: oder wirkt sich das natürlich auf den Kreis, der eigentlich nur auf das setzt
00:07:48: enorm aus.
00:07:49: Und wir sehen die Auswirkungen auch schon in der Europäischen Union.
00:07:52: Das ist der große Unterschied zwischen Nord und Süd, zum Beispiel in der Fiskale und Wirtschaftspolitik.
00:07:58: Das ist der Unterschied in der Rechts- und Verfassungspolitik zwischen Ost und West.
00:08:03: Es ist die Uneinigkeit ganz jetzt aktuell in den Vorgehensweisen, was den Ukrainekonflikt anbelangt.
00:08:11: Und somit merken wir auch hier schon bereits erste Auswirkungen.
00:08:14: Und eine Stufe drunter, also jetzt befinden wir uns beim innersten Kreis.
00:08:19: Das ist natürlich auch für jene Staaten, die ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik darauf aufbauen,
00:08:25: dass es zwei übergeordnete Ebenen gibt, die nach dem Völkerrecht oder nach der Rechtsstaatlichkeit arbeiten
00:08:32: natürlich auch eine Herausforderung, weil man sich auf diesen Aspekt sozusagen nicht mehr verlassen kann.
00:08:38: Das heißt, das betrifft auch Österreich?
00:08:40: Das betrifft im Grunde genommen auch Österreich ganz massiv.
00:08:44: In der Geschichte haben viele Nationen immer zwei, wenn man jetzt von der strategischen Bedeutung her,
00:08:52: immer zwei Optionen gewählt.
00:08:54: Das eine ist, wenn man alleine geblieben ist, dementsprechende militärische Stärke zu haben.
00:09:00: Ich sage jetzt einmal ein gutes Beispiel und das jeder kennt, ist die Schweiz.
00:09:05: Oder man hat sich einer Gemeinschaft angeschlossen, die die Schwächen der Einzelnen einfach durch Masse und gegenseitige Unterstützung auffangen.
00:09:14: Das ist ein klassisches Bündnis, wobei dieses Bündnis nicht grundsätzlich immer sofort militärisch sein muss,
00:09:20: aber einen Teil dabei hat, der das inkludiert. Also dass man gemeinsam stark ist und eventuelle Bedrohungen abwehrt.
00:09:30: Also so gesehen müssen wir das einmal als Grundvoraussetzung sehen, dass sich die Welt verändert.
00:09:35: Und die Folge davon ist, dass wir in Zukunft viel, viel mehr regionale Akteure haben werden.
00:09:44: Also die sozusagen regional Politik, Werte, Wirtschaft, ganze Gesellschaftssysteme verkaufen bzw. anbieten
00:09:56: und sozusagen nicht mehr nur das Modell Ost oder West zur Verfügung steht.
00:10:01: Und Akteure kennen wir genug davon.
00:10:04: Die meisten nennen natürlich China, Russland ist natürlich auch einer, aber es gibt genauso ein indisches System, ein türkisches, ein brasilianisches.
00:10:15: Und diese Akteure werden immer wichtiger werden.
00:10:19: Jetzt werden sich sicher viele der Zuhörer denken, ja aber Österreich ist ja von Freunden umgeben.
00:10:24: Was kann uns da passieren?
00:10:26: Ja, der größte Trugschluss ist, dass die Freunde alles abfangen, weil die Veränderungen so groß sind, dass diese Freunde auch massiv betroffen sein werden.
00:10:35: Und der springende Punkt ist, dass Europa als gesamter Kontinent sich diesen Veränderungen nicht mehr entziehen kann.
00:10:44: Das bedeutet, wenn Europa und in dem Fall ist es jetzt die Europäische Union, sich diesen Veränderungen nicht stellt, nicht visionär hineingeht
00:10:55: werden andere die Systeme dieser Welt bestimmen.
00:10:59: Und wir werden auf ein multipolares Weltbild zugehen, bedeutet also nicht nur ein System oder zwei Systeme, sondern mehrere Systeme.
00:11:10: Und damit bricht natürlich auch ein Konkurrenzkampf aus.
00:11:13: Und in diesem Konkurrenzkampf ist natürlich der, der Initiativen setzt, immer der erste.
00:11:21: Und wenn wir jetzt betrachten und da komme ich wieder zur Europäischen Union zurück,
00:11:25: die Europäische Union hat als Erfolgsmodell extrem gut gearbeitet, aber nach innen und nicht nach außen.
00:11:33: Nicht in dem Sinne, dass sozusagen jemand anderer besser, stärker sein will als die Europäische Union.
00:11:42: Und das Problem ist, dass die Europäische Union in vielen Bereichen ihre Instrumente, mit denen sie Probleme bewältigt,
00:11:50: immer nach innen ausgerichtet hat und ganz wenig nach außen.
00:11:54: Das einzige Instrument, das wir alle kennen, war in den letzten Jahrzehnten immer die, kann man sagen,
00:12:00: alles was mit Finanzen zu tun gehabt hat, alles was im Bereich der Wirtschaft zu tun gehabt hat.
00:12:06: Das ist aber dann nicht mehr relevant, kann dann nicht mehr als sogenannter Machtfaktor eingesetzt werden,
00:12:12: wenn die anderen Systeme ebenfalls wirtschaftlich stark sind oder darauf verzichten.
00:12:19: Also sozusagen in Kauf nehmen, dass sie wirtschaftlichen Schaden davon tragen, wenn sie mit der Europäischen Union in einen Konflikt gehen.
00:12:26: Und das beste Beispiel ist jetzt Russland.
00:12:30: Es gibt ja verschiedene Formen
00:12:31: der Macht, also ich zähle jetzt ein paar auf, Diplomatie, Wirtschaft, Militär zum Beispiel.
00:12:38: Und wenn die Europäische Union das Instrument der Wirtschaft als Machtmittel einsetzen will,
00:12:44: das Gegenüber aber mit dem Mittel des Militärs arbeitet, geht das mit Masse verloren.
00:12:51: Die Wirkung.
00:12:52: Das heißt, wir können eigentlich jetzt sagen, die Welt ist aus den Fugen, aber sie ordnet sich gerade neu.
00:12:58: Sie ordnet sich gerade neu und da wäre es so wichtig, dass wir Initiativen setzen und Dinge vorgeben,
00:13:08: beziehungsweise neue Systeme anbieten.
00:13:11: Und das ist auch das Problem der Vereinigten Staaten, dass sie für diese Zeit noch immer kein Alternativkonzept vorgelegt haben.
00:13:21: Wie stellt sich die USA vor in einer multipolaren Welt zu agieren?
00:13:26: Was sind die Benefits?
00:13:27: So, dass möglichst viele diesem System folgen, dem wir ja auch angehören.
00:13:34: Und das bedeutet, dass wir in irrsinnig vielen Bereichen mit sehr, sehr viel Gegenwind oder Alternativen zu rechnen haben.
00:13:44: Also sozusagen die Sichtweise der letzten 40 Jahre, dass vom Völkerrecht beginnend,
00:13:50: das auch durch den Westen sozusagen mit Masse vorgegeben wurde,
00:13:54: bis hin eben zu den Wirtschaftssystemen, sich alles ändert und darauf brauchen wir Antworten, wenn wir bestehen wollen.
00:14:02: Bevor wir dazu kommen, was wir tun sollen, habe ich aber noch eine andere Frage, weil das Verteidigungsministerium gibt ja jedes Jahr
00:14:09: ein Risikobild heraus, eine sicherheitspolitische Analyse, eine sicherheitspolitische Vorschau
00:14:15: und ein Risikobild. Wie kommt man zu seinem Risikobild? Wie kann man voraussagen, was
00:14:19: in den nächsten paar Jahren passieren wird? Ja, das ist eine sehr interessante Frage.
00:14:24: Erstens muss man unterscheiden zwischen einem Lagebild und einem Risikobild. Grundsätzlich
00:14:29: kann man sagen, ein Lagebild ist etwas vom Jetzt-Zustand, also den man jetzt erfassen
00:14:35: und beschreiben kann, ungefähr sechs Monate nach vorne kann man ungefähr sagen wird das
00:14:41: die oder die Auswirkungen haben. Ab den sechs Monaten beginnt dann sozusagen eine Übergangsphase
00:14:47: und ab dort in die Zukunft, so wie Sie gesagt haben, liegt das, was wir als Risikobild bezeichnen.
00:14:56: Und wie kommen wir darauf? Das ist, indem wir verschiedene Zukünfte vorher formulieren.
00:15:03: Also wir sagen, die Zukunft der Erde könnte sein, dass wir ein multipolares, also viele
00:15:09: Staaten oder viele Akteure, kooperatives System haben werden. Das heißt also, es gibt viele
00:15:17: Akteure, die hauptsächlich kooperativ zusammenarbeiten. Das wäre eine Zukunft, wohin die Welt gehen
00:15:24: könnte. Eine zweite Zukunft könnte sein, dass die Welt in eine multipolare, aber konfrontative
00:15:31: Phase geht. Also, dass es wie vorher viele gibt, aber die sozusagen gegeneinander arbeiten.
00:15:38: Und wenn man in diesen verschiedenen Zukünften, meistens sind das bei uns zwischen acht und
00:15:45: zehn, wenn wir in diesen Zukünften die Hauptfaktoren, das sind dann in etwa 50 bis 60, die sich in
00:15:56: diesen Zukünften verändern können, wenn wir die Computer unterstützt ansteuern, das muss
00:16:01: man sich vorstellen wie ein Netz. Also eine Zukunft ist ein Netz, wir ziehen an einem
00:16:07: Knotenpunkt und sehen, was sich noch in diesem Netz bewegt. Und wenn sich auch in den
00:16:13: anderen Netzen immer wieder das Gleiche ergibt, dann können wir so einen Trend herauslesen.
00:16:19: Und das beschreibt eine große Wahrscheinlichkeit, dass sich, wenn diese Faktoren so eintreten,
00:16:27: dass der Knoten X bewegen wird und das ist ein Risiko. Also eine methodisch herausfordernde
00:16:34: Sache, das ist ein dreistufiges Verfahren und da arbeiten so 60 Wissenschaftler, Experten
00:16:42: was auch immer mit, um das zu generieren. Und wenn man schaut in den letzten Jahren waren
00:16:48: wir doch relativ erfolgreich. Wir haben von der Pandemie bis hin Ukraine-Konflikt, bis
00:16:54: hin zum, also Konflikt im Osten, Konflikt im nahen Mittleren Osten, haben wir die Dinge vorhergesagt.
00:17:02: Und wie ist das beim Risikobild 2024? Was haben Sie da vorhergesagt?
00:17:07: Im Risikobild 2024 haben wir einen Konflikt, einen Konflikt im südöstlichen Krisenbogen
00:17:16: vorhergesagt. Das ist, dort fällt der nahe Mittlere Osten hinein und die Auseinandersetzung im
00:17:22: Gazastreifen ist eines davon. Wobei wir sagen müssen, dass die Risiken, die wir vorhersagen,
00:17:30: das sind ungefähr 60, die wir beobachten und analysieren, wir jedes Jahr nur die 8 bis
00:17:37: 10 wichtigsten, die sich auf Österreich auswirken, vorstellen. Und eines davon war heuer die
00:17:47: Vorhersage, dass gewaltsame Konflikte immer stärker und immer mehr werden. Und eine der
00:17:55: Gründe, den habe ich vorher ausgeführt, das ist eben die Änderung dieser bestehenden
00:17:59: Weltordnung, die einfach in sich trägt, dass es mehr Konflikte geben wird.
00:18:05: Wenn wir jetzt einmal auf die Landkarte schauen und wir sind bei Israel und dem Gazastreifen,
00:18:10: ist das eigentlich völkerrechtlich eigentlich ein Krieg oder was ist das genau in Israel?
00:18:15: Ja nach dem Völkerrecht ist es kein internationaler bewaffneter Konflikt. Aber seit dem 9/11 sind
00:18:27: auch Gruppierungen wie damals die Taliban oder ähnliche Gruppierungen in das Völkerrecht
00:18:35: sozusagen hereingekommen und man sieht diese Gruppierungen auch als Konfliktparteien an
00:18:43: nach dem Recht und dementsprechend auch das Selbstverteidigungsrecht, Israels in diesem
00:18:49: Fall. Und man muss auch sagen, die Hamas verfügt ja über mehr oder weniger drei Kennzeichen,
00:18:55: die einen wesentliche Kombattanten ausmachen, das heißt gekennzeichnete bewaffnete Gruppierungen.
00:19:04: Ein Staatsgebiet könnte man sagen, ein Gebiet, ein Territorium, über das sie ihre Macht
00:19:11: ausüben und im Grunde genommen auch ein Teil eines Volkes. Also so gesehen kann man das
00:19:19: durchaus so sagen, dass seit 9/11 diese Gruppierungen jedenfalls Teil des Ganzen sind.
00:19:25: Was sollen wir jetzt eigentlich tun? Also im Grunde genommen ist erstens einmal die Erkenntnis,
00:19:34: dass sich dieser gesamte Bereich verändert, ganz ein wesentlicher. Also wir dürfen nicht mehr
00:19:41: nur in unserem Wohnzimmer schauen, sondern wir müssen beim Fenster rausschauen. Das Zweite
00:19:46: ist, wir müssen uns fragen, ist das was wir, also sprich als Nationalstaat, als Bevölkerung,
00:19:54: als Gesellschaft, das gesamte politische System und die Verfahren und Mittel, die wir haben,
00:19:59: um Krisen zu bewältigen, ist das noch entsprechend? Und wenn wir zur Erkenntnis kommen und ich
00:20:06: glaube, das setzt sich relativ bald durch und die Regierung jetzt konkret hat das bereits
00:20:12: erkannt, müssen wir das adaptieren und anpassen. Das bedeutet, die Dinge, die wir über Jahrzehnte
00:20:21: abbauen konnten, weil wir glaubten, sozusagen nur in unserem Wohnzimmer uns bewegen zu müssen,
00:20:27: müssen wir jetzt wieder aufbauen bzw. der Lage anpassen. Ich habe da mal den Begriff verwendet,
00:20:33: den nationalen Airbag auf die Bedürfnisse der Welt anpassen, was aber bedeutet, dass
00:20:41: wir dementsprechende Finanzmittel und ein Mindset der Bevölkerung wieder herstellen müssen,
00:20:47: dass eben diese Zeiten vorbei sind. Und das ist schon eine sehr, sehr schwierige Aufgabe,
00:20:54: weil es in der DNA der letzten Jahrzehnte gelegen ist, dass wir genau das Gegenteil tun möchten,
00:21:01: nämlich in Frieden, in Form von Konferenz-Diplomatie, die Probleme aus der Welt schaffen.
00:21:10: Das wird jetzt so nicht mehr funktionieren. Und deshalb ist sozusagen ganz, ganz essentiell,
00:21:18: dass die Bevölkerung diese Veränderungen versteht und auch das, was jetzt notwendigerweise getan
00:21:26: werden muss. Und wie gesagt, das bedeutet sowohl nationalstaatlich als auch für die
00:21:32: europäische Union schon manchmal dann zu sagen, so nicht. Unsere Interessen sind so und so gelagert
00:21:38: und wir ziehen das jetzt durch. Jetzt fragen sich sicher viele von denen, die jetzt da zuhören,
00:21:43: ja, was können wir tun und was ist mit dem Bundesheer? Kann das Bundesheer Österreich verteidigen?
00:21:51: Das Bundesheer ist gerade auf dem Weg, diese Fähigkeiten wieder grundsätzlich herzustellen.
00:21:59: Das bedeutet, dass wir durch die Bundesregierung jetzt die entsprechenden Finanzmittel bekommen,
00:22:07: um am unteren Rand State of the Art zu sein. Aus militärischer Sicht muss man natürlich sagen,
00:22:17: dass noch Luft nach oben ist. Also weil wir, das nennt sich im militärischen Jargon,
00:22:22: Schutzoperation, das ist mehr oder weniger die unterste Ebene. Die nächste Ebene wäre eine
00:22:28: Abwehroperation. Das würde bedeuten, also sozusagen, wenn Österreich direkt von einem Angriff voll getroffen
00:22:35: wird oder die Europäische Union, das muss man auch einmal dazu sagen. Dann würden wir noch gewisse
00:22:44: Mittel dazu brauchen. Aber der Aufbau von Streitkräften ist etwas, was sich immer über Jahre hinweg zieht.
00:22:52: Also daher sind wir jetzt sehr zufrieden mit dem, was wir jetzt bekommen und damit machen können.
00:22:58: Eines muss ich auch dazu sagen, das darf man nicht unterschätzen. Alle Risiken, die wir bewerten,
00:23:04: sind zu 80 Prozent nicht militärischer Natur. Das bedeutet, es darf auf keinen Fall der Eindruck
00:23:12: entstehen, dass wenn das Bundesheer das Geld bekommt, um es neu aufzustellen oder nachzurüsten,
00:23:20: dass damit alle Probleme gelöst sind. Also die Masse der Bedrohungen, die auf uns zukommen,
00:23:27: oder die schon da sind, also ich nenne jetzt nur Desinformation, ist ja auch in aller Munde,
00:23:33: das bedarf einer zivilen Anstrengung und nicht einer militärischen. Das heißt,
00:23:40: das Militärische ist ein ganz wichtiger Teil und Sie können sich vielleicht erinnern, wir hatten ja
00:23:46: in früheren Jahren die Umfassende Landesverteidigung. Wir wissen noch nicht ganz genau, ob wir das in
00:23:54: Zukunft Umfassende Landesverteidigung 2.0, 4.0 oder ähnlich nennen würden. Aber aufgrund der
00:24:01: Terminologie haben wir schon vor Jahrzehnten mehr oder weniger auf das Richtige gesetzt,
00:24:08: nämlich, dass es eine militärische, eine zivile, eine wirtschaftliche, eine geistige
00:24:14: Landesverteidigung - jetzt könnte man noch das eine oder andere dazugeben - geben muss, um ein Volk,
00:24:21: unsere Heimat, resilienter zu machen. Das heißt, abwehrbereiter zu machen und das wird jetzt in
00:24:28: Konzepten gerade aufgearbeitet und daher hoffe ich, dass wir dann mit dem in Zukunft arbeiten können.
00:24:34: Und was sind das für zivile Risiken? Die zivilen Risiken reichen von Unterbrechung der
00:24:41: Lieferketten bis hin zu Desinformation, über Wahlmanipulation, Fake News, all das gehört dazu
00:24:50: und deshalb sprechen wir auch immer wieder von dieser Hybriden Bedrohung und dem Hybriden
00:24:55: Krieg, die schon laufen. Und wenn Sie die Zeitungen aufschlagen seit dem Ukrainekrieg und die Medien
00:25:01: beobachten, werden Sie ständig diese Begriffe hören. Und wenn man konkret bei der Auseinandersetzung
00:25:10: zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation bleiben, ist das ein ganz ein wesentlicher Teil.
00:25:18: Und wenn man schaut, die Russische Föderation hat die zwei Schwachpunkte des Westens glasklar analysiert
00:25:26: und arbeitet damit. Das ist die Uneinigkeit der Europäer und das ist das innenpolitische System
00:25:34: der USA. Und dort wirken diese ganzen Arten der Kriegsführung, der Hybriden Kriegsführung,
00:25:41: die sind ganz, ganz gewaltig, weil sie ja praktisch kaum feststellbar sind, woher sie kommen,
00:25:48: von jedem oder jeder mehr oder weniger von jedem Punkt der Erde aus gemacht werden können.
00:25:56: Und so was wie eine, ich habe das einmal so ausgedrückt, wie eine schleichende Krankheit
00:26:01: sind, man wird infiziert und die Meinungen der Bevölkerung, Gesellschaftsschichten werden
00:26:08: verändert. Es werden innere Unruhen oder politische Unstimmigkeiten hervorgerufen,
00:26:13: falsche Informationen gesetzt. Also der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, um auf diesem
00:26:19: Klavier spielen zu können. Aber der Fantasie sind auch keine Grenzen gesetzt, dass wir
00:26:24: uns wehren können, dass wir darauf achten, dass wir in einem friedlichen Umfeld leben.
00:26:29: Ja, aber das ist jetzt genau der springende Punkt, den Sie gesagt haben. Das Wehren
00:26:34: haben wir verlernt, weil das Wehren heißt ja auch, unter Umständen Interessen gegen
00:26:41: den Willen des Anderen durchzusetzen. Weil ich stelle jetzt einfach einmal eine schnelle
00:26:46: Frage in den Raum: Was tut die Europäische Union, wenn der Suezkanal zu ist? Das wirkt
00:26:53: sich innerhalb von Tagen auf die Europäische Union und auf uns alle aus. Was tun wir dann?
00:27:00: Ich stelle es nur mal so in den Raum. Aber deswegen gibt es ja auch die wirtschaftliche Landesverteidigung,
00:27:06: die auch darauf achtet, dass die Bevölkerung etwas zu essen hat und dass alle gemeinsam
00:27:12: dafür sorgen, dass es eben zu keiner Unterbrechung der Lieferketten kommt.
00:27:15: Ja, das ist ganz richtig. Da sieht man, dass die umfassende Landesverteidigung schon noch
00:27:19: in den Köpfen ist. Aber die Prozesse, Verfahren und vor allem die Bevorratung, die Sie ansprechen,
00:27:24: das gibt es ja nicht mehr. Das gibt es ja nicht mehr. Früher war das mit der Bevorratung ganz
00:27:30: anders aufgesetzt als jetzt. Und das müsste eben auch wieder sehr mühsam aufgebaut werden.
00:27:38: Und es wird natürlich schon darüber nachgedacht. Es werden schon dazu Konzepte geschrieben
00:27:44: und aufgestellt. Aber es braucht natürlich seine Zeit und es müssen auch alle mitmachen.
00:27:48: Und wie gesagt, damit alle mitmachen, müssen wir zuerst das Bewusstsein herstellen.
00:27:52: Das ist ein gutes Schlusswort. Herr Generalmajor, ich sage vielen Dank. Und euch allen vielen
00:27:58: Dank fürs Zuhören und hört auch beim nächsten Mal wieder HEER.
00:28:01: Das war HEERgehört, der Bundesheer-Podcast. Weitere Infos findet ihr in den Shownotes.
00:28:13: [Musik]
00:28:15:
00:28:17:
Chris
‧