#13 - Risikobild 2025: Europa im Kriegszustand?
Shownotes
Staffelstart: In der ersten Folge der zweiten Staffel von HEERgehört erfahrt ihr, welche Herausforderungen Österreich und Europa 2025 erwarten. Ute Axmann spricht dazu mit Bgdr Ronald Vartok und Mag. Tara Prägler, die beide maßgeblich am Risikobild 2025 mitgewirkt haben.
Das gesamte Risikobild 2025 gibt es auch zum Download.
Die Aufzeichnung der Präsentation des Risikobilds findet ihr hier.
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Transkript anzeigen
00:00:00: Die Demokratie ist gefährdet und sie ist nicht nur gefährdet in Europa.
00:00:06: Wir sind nicht der Situation ausgeliefert, aber es ist wichtig zu handeln, es ist wichtig
00:00:14: wieder zusammenzufinden und als geeintes Europa eben stärker aufzutreten.
00:00:18: Das sind also klassische Elemente, wo man sagen muss, das Recht des Stärkeren, ist
00:00:27: bedauerlicherweise vermutlich zurück.
00:00:29: HEERgehört, der Bundesheerpodcast.
00:00:47: Steckt Europa in einer Krise?
00:00:49: Ist die Demokratie in Gefahr?
00:00:51: Zählt bald das Recht der stärkeren?
00:00:54: Was ist vom weltweiten Superwahljahr 2024 geblieben?
00:00:58: Hallo und herzlich willkommen zur ersten Folge der zweiten Staffel des Bundesheerpodcasts
00:01:03: HEERgehört.
00:01:04: Mein Name ist Ute Axmann und ich freue mich, dass ihr wieder mit dabei seid.
00:01:08: Vor ein paar Tagen wurde in einer Veranstaltung in Wien das Risikobild 2025 präsentiert.
00:01:14: Das Risikobild ist eine alljährliche Publikation des Verteidigungsministeriums und gibt einen
00:01:19: Überblick über die sicherheitspolitische Lage für Österreich und Europa mit einer Vorausschau
00:01:24: für die kommenden 12 bis 18 Monate.
00:01:27: Heute wollen wir einmal einen Blick hinter die Kulissen werfen, wie so ein Risikobild
00:01:31: überhaupt entsteht.
00:01:32: Und außerdem wollen wir noch ein paar interessante Themen aufgreifen, die bei der Präsentationsveranstaltung
00:01:38: angeschnitten worden sind.
00:01:39: Diese Präsentation gibt es auch auf YouTube zu finden, ihr könnt euch das also noch einmal
00:01:44: anschauen und den Link dazu findet ihr in den Shownotes.
00:01:47: Meine Gesprächspartner heute sind Herr Brigadier Magister Ronald Vartok.
00:01:52: Er ist der Leiter der Direktion Verteidigungspolitik und internationale Beziehungen im Bundesministerium
00:01:57: für Landesverteidigung und Frau Magister Tara Prägler.
00:02:02: Sie arbeitet in der Abteilung Verteidigungspolitik und Strategie im Verteidigungsministerium und
00:02:07: ist dort Referentin für das strategische Vorausschau.
00:02:10: Außerdem hat sie unter anderem Sinologie, also Chinawissenschaften in Deutschland und
00:02:15: China studiert und ihre akademischen Themenschwerpunkte sind China und Europa.
00:02:20: Herr Brigadier, Frau Magister, vielen Dank fürs Kommen.
00:02:23: Ein herzliches Grüß Gott und danke für die Einladung.
00:02:26: Auch ich bedanke mich herzlich für die Einladung.
00:02:28: Brigadier Vartok, ich beginne gleich bei Ihnen.
00:02:31: Sie haben bei der Präsentation des Risikobildes vor wenigen Tagen ihren Vortrag gleich mit
00:02:35: dem Satz begonnen:
00:02:36: Europa befindet sich im Kriegszustand.
00:02:39: Das hat dann in der Folge auch so manche Schlagzeile geprägt.
00:02:42: Können Sie das bitte nochmals für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer erleutern?
00:02:46: Gerne.
00:02:47: Die aktuelle Bedrohungsanalyse, wie sie im Risikobild 2025 abgebildet ist, lässt bedauerlicher Weise
00:02:55: nur diesen einen Schluss zu.
00:02:57: Es ist mir allerdings wichtig zu betonen, dass damit nicht die klassische militärische
00:03:02: Konfrontation zwischen Staaten gemeint ist, so wie wir es derzeit im Ukraine Krieg erleben
00:03:08: müssen, wo zwei Streitkräfte aufeinanderprallen.
00:03:11: Es handelt sich viel mehr um die hybride Kriegsführung, ein Begriff, der im Übrigen nicht aus unserer
00:03:17: Feder stammt, sondern internationale Gültigkeit besitzt und im Englischen als Hybridwarfare
00:03:22: bezeichnet wird.
00:03:24: Es gibt hierbei auch ein internationales Zentrum in Helsinki, welches sich ausschließlich dieser
00:03:30: Thematik widmet.
00:03:31: Hybride Kriegsführung bedeutet, dass Maßnahmen gegen Staaten gesetzt werden, welche auch
00:03:36: etliche nicht militärische Mittel umfasst.
00:03:40: Es gibt zwei Ziele, die mit der hybriden Kriegsführung verfolgt werden.
00:03:45: Zum einen ist es der Versuch, durch hybride Maßnahmen gezielt gesteuerte Attacken gegen
00:03:52: eine Nation, dessen Stabilisierung zu gefährden und zu unterminieren.
00:03:58: Das zweite Ziel ist es, durch Anschläge und Attacken auch die Kohäsion, sprich das Zusammenwirken
00:04:06: untereinander der europäischen Staaten maximal zu erschüttern.
00:04:10: Haben wir da ein paar Beispiele dafür schon?
00:04:13: Es gibt etliche Beispiele, die dazu herangezogen werden können.
00:04:18: Wir müssen uns zum Beispiel der Tatsache bewusst sein, dass Cyberattacken eines der wesentlichsten
00:04:23: Elemente der hybriden Kriegsführung darstellt.
00:04:26: Österreich ist täglich Angriffsziel von Cyberattacken, die aufgrund unserer hohen Expertise und
00:04:34: der nach wie vor gültigen Widerstandsfähigkeit, bislang jedoch noch überschaubar sind und
00:04:40: bewältigbar sind.
00:04:42: Es gibt weitere Bedrohungen, die ganz drastische Auswirkungen auf uns haben.
00:04:46: Zum Beispiel das Unterbrechen von Unterseekabeln, die die Internetverbindung zwischen Europa
00:04:52: und den restlichen Kontinenten darstellt, aber auch die Verbindung untereinander der
00:04:57: europäischen Staaten.
00:04:59: So mussten wir beispielsweise zur Kenntnis nehmen, dass erst diese Woche am Montag,
00:05:03: den 27. Jänner wieder eine Unterbrechung der Internetkabeln gegeben hat zwischen Schweden
00:05:09: und den baltischen Staaten.
00:05:10: Das heißt, das kommt jetzt auch immer öfter vor, dass wir von der hybriden Kriegsführung
00:05:16: betroffen sind.
00:05:17: Glauben Sie, dass das der Grund ist, warum es Europa vielleicht noch nicht so ernst nimmt,
00:05:21: dass wir im Kriegszustand sind, dass es eben diese hybride Form ist und nicht die klassisch-militärische?
00:05:25: Nein, dem würde ich eigentlich widersprechen wollen, weil sowohl in der NATO als auch in
00:05:32: der EU, die EU, welche unseren gesamtstaatlichen zentralen Handlungsrahmen in der Sicherheits-
00:05:38: und Verteidigungspolitik darstellt, die hybride Bedrohung ganz, ganz oben auf der Agenda angekommen
00:05:45: ist.
00:05:46: Das Verteidigungsministerium hat ja zehn Hauptbedrohungen, zehn Risiken herausgearbeitet
00:05:52: für Österreich und Europa.
00:05:53: Bevor wir jetzt da zu kommen, Frau Prägler, wie kommt denn so ein Risikobild überhaupt
00:05:57: zustande?
00:05:58: Die aktuelle Publikation umfasst ja mehr als 300 Seiten.
00:06:01: Wie schaffen Sie das?
00:06:02: Eine Kristallkugel dafür gibt es ja wohl nicht.
00:06:05: Genau, wir haben in den letzten ungefähr zehn Jahren einen recht umfangreichen Prozess dazu
00:06:09: aufgebaut.
00:06:10: Die öffentlichkeitswirksame Publikation des Risikobilds gibt es seit 2015 und die
00:06:16: basiert auf einem Prozess, an den wir einerseits durch ein langfristiges als auch ein kurzfristiges
00:06:23: Risikobild aufgebaut haben.
00:06:24: Da haben wir einerseits die verschiedenen Umfeldszenarien, auf denen wir Schlüsse ziehen auf den Zukunftsraum,
00:06:35: also wie entwickelt sich unsere Welt, wie entwickelt sich die Rolle der USA, wie entwickelt sich
00:06:39: die Rolle Chinas, wie entwickelt sich die Rolle Europas.
00:06:42: Und da ziehen wir dann sozusagen Schlüsse, wir bearbeiten in diesem Zusammenhang sogenannte
00:06:47: Schlüsselfaktoren, eben Rolle Chinas, Rolle USA.
00:06:50: Und da zeichnen wir dann sozusagen ein Bild eines Zukunftsraums.
00:06:54: Und von diesem Zukunftsraum leiten wir dann sozusagen die Risikoanalysen ab und wir haben
00:07:00: da eben das kurzfristige Risikobild und auch ein langfristiges Risikobild.
00:07:04: Für die öffentlichkeitswirksame Publikation ist vor allem das kurzfristige Risikobild,
00:07:09: sozusagen die interne Version davon, wo wir dann als Information für die Öffentlichkeit
00:07:14: eine Publikation mit Experten zusammen aufbereiten.
00:07:17: Und da möchten wir praktisch die Kernrisiken thematisieren in öffentlichkeitstauglicher
00:07:24: Form.
00:07:25: Und in der Veranstaltung und auch in der Publikation werden die Risiken thematisiert, die wir als
00:07:31: besonders wesentlich für die öffentliche Debatte sehen.
00:07:34: Und genau, also im Endeffekt haben wir dann auch daran, also da vorgelagert die interne
00:07:40: Analyse, die dann die Grundlage für die Streitkräfteentwicklung ist.
00:07:44: Und im Endeffekt geht es uns darum, bei dieser internen Version zu verstehen, welches Bundesheer
00:07:55: brauchen wir für die Zukunft.
00:07:56: Und in der öffentlichkeitswirksamen Publikation geht es darum, uns die wichtigen Risiken
00:08:05: als Anregung für die Öffentlichkeit, für eine Diskussion in der Öffentlichkeit aufzubereiten.
00:08:10: Dafür haben wir ein recht großes Expertennetzwerk in den letzten Jahren etabliert.
00:08:14: Diese Experten sind einerseits für unsere interne Arbeit, für die Bewertung der Risiken
00:08:20: und so weiter für uns tätig.
00:08:23: Aber sie schreiben auch für die öffentlichkeitswirksame Publikation die Beiträge und so kommt
00:08:28: das dann zustande.
00:08:29: Wir haben da eben im Expertennetzwerk einerseits die Wissenschaftskommission dabei, dann verschiedene
00:08:34: Kooperationsinstitute, das AIS, das OEP und verschiedene sozioökonomische Expertinnen,
00:08:41: die uns zu Rate stehen.
00:08:42: Auch zum Beispiel der Herr Gady beratet uns, und um ein paar Namen zu nennen.
00:08:50: Genau.
00:08:51: Die sind ja alle bekannt aus den Medien auch.
00:08:54: Herr Brigidier, was fällt denn so unter die Top 10 der Risiken?
00:08:58: Es ist ein wesentliches Merkmal der hybriden Kriegsführung, dass diese in die strategische
00:09:03: Tiefe abzielt.
00:09:04: Das heißt gleichzeitig, dass wir in unserer geografischen Position Österreichs umgeben
00:09:10: von den NATO-Staaten bzw. von Lichtenstein und der Schweiz in keiner Art und Weise einen
00:09:17: Schutz erwarten können.
00:09:18: Diese Risiken zählen also in die Tiefe und betreffen uns auch.
00:09:23: Ich habe bereits vorher erwähnt, die Cyberattacken, die immanent sind, genauso wie die Möglichkeit,
00:09:29: letale Internetverbindungen zu kappen.
00:09:32: Wenn die Internetverbindungen am Meeresgrund gekappt werden vom Atlantik nach Europa
00:09:37: bzw. innerhalb Europas im Norden, trifft es auch auf Österreich zu.
00:09:41: Eine weitere Gefährdung kann sein, die Störung von Satellitenkommunikation.
00:09:46: Und weil wir jetzt hier die Möglichkeit haben, zu einem jungen Publikum zu sprechen, würde
00:09:51: ich gerne alle einmal dazu ermuntern, darüber nachzudenken, wenn in einem Black Outs-Szenario
00:09:57: für ein paar Tage nur, sagen wir zwei bis drei Tage, das Handy ausfällt.
00:10:02: Wie wir alle damit umgehen und ob wir so einer Situation gewachsen sind, sprich, ob wir selbst
00:10:09: in unserer Resilienz, in unserer Widerstandsfähigkeit wirklich stark genug sind.
00:10:16: Aber natürlich gibt es noch weitere extreme Maßnahmen der hybriden Kriegsführung.
00:10:22: Es ist zum Beispiel die Befeuerung der irregulären Migration.
00:10:28: Wir wissen ganz genau, dass die irreguläre Migration auf die europäischen Staaten, die
00:10:33: als erstes Ziel für irreguläre Migranten ausgewählt wird, in den jeweiligen Nationen bereits
00:10:40: zum jetzigen Zeitpunkt zu gewissen Destabilisierungen, zu Kritik, zu infrastrukturellen und wirtschaftlichen
00:10:48: Maßnahmen führt, die letztendlich auch zu gesellschaftspolitischen Spannungen führen.
00:10:52: Diese Migration wird zuständig von Russland in diesem Falle ausgehend oder basierend auf
00:10:59: dem Krieg in der Ukraine genutzt.
00:11:00: Das heißt, es werden zusätzliche Flüchtlinge und irreguläre Migranten nach Russland eingeflogen,
00:11:07: die werden weitergereicht an den Marionettenstaat Weißrussland und dann letztendlich an die
00:11:12: Tür Europas zu klopfen.
00:11:13: Ein weiterer wichtiger Moment ist das gezielte Verstreuen von Desinformation, also die Nutzung
00:11:22: von Deep Fake News.
00:11:23: Das hört man ja dauernd, diesen Begriff auch in den Medien.
00:11:26: Damit wird beabsichtigt, dass die Bevölkerung de facto nicht mehr in der Lage ist, über
00:11:33: den konkreten Wahrheitsgehalt einer Information wirklich entscheiden zu können.
00:11:40: Es soll dadurch eine Verunsicherung entstehen, indem man nicht mehr weiß, wie kann ich Informationen
00:11:46: einschätzen?
00:11:47: Wie ist wirklich eine Gefahr für mein Land bzw. auch für mich persönlich ausgerichtet?
00:11:52: Eine weitere Maßnahme der hybriden Kriegsführung ist natürlich das politische Sebelrasseln,
00:12:00: sprich das Aussprechen von eklatanten Drohungen.
00:12:03: Ich möchte hier ein Beispiel nennen, wie es im Oktober des vergangenen Jahres passiert
00:12:10: ist.
00:12:11: Das war der Zustand, wo in Großbritannien darüber entschieden werden musste, ob weitreichende
00:12:15: Raketen an die Ukraine übergeben werden, damit sie auch in die Tiefe Russlands wirken
00:12:20: können.
00:12:21: Daraufhin hat Russland im Staatsfernsehen und als auch im Internet eine klare Drohung
00:12:28: ausgesprochen, nämlich dass London durch einen Nuklearschlag ausgelöscht werden möge.
00:12:36: Um das Ganze noch zu unterstreichen in seinen Auswirkungen, wurde hierbei dann auch gleichzeitig
00:12:42: eine entsprechende Computersimulation angeboten.
00:12:46: Das soll die Wirkung erzielen, dass die Bevölkerung in Großbritannien in diesem Beispiel verunsichert
00:12:54: wird und eine Druck aufbaut auf die politische Führung, um dafür zu sorgen, dass die militärische
00:13:02: Unterstützung für die Ukraine eingestellt oder zumindest reduziert wird.
00:13:06: Das heißt, die neuen Medien können auch eine Waffe sein?
00:13:09: Absolut.
00:13:10: Die neuen Medien sind definitiv bereits eine Waffe und es gibt ja hier bereits den Kampf
00:13:19: um die Vormachtstellung im Informationsraum.
00:13:22: Frau Prägler, bei der Präsentation des Risikobildes ist in der Diskussionsrunde auch einmal
00:13:30: das Satz gefallen.
00:13:31: Russland ist das Wetter, China ist das Klima.
00:13:34: Müssen wir uns vor China fürchten?
00:13:36: Ja, also es ist so.
00:13:39: Im Risikobild thematisieren wir auch unter anderem den Taiwan-Konflikt oder auch eine
00:13:44: System-Rivalität Chinas mit den USA.
00:13:46: Aber wir müssen auch sagen, in den nächsten 12 bis 18 Monaten geht für Österreich insbesondere
00:13:53: keine große Gefahr von China aus.
00:13:55: Wir sehen die Entwicklungen natürlich um die Zölle, Preissteigerung, auch Lieferkettenunterbrechungen.
00:14:00:
00:14:01: Das sind diese Risiken, die Österreich in den nächsten 12 bis 18 Monaten beschäftigen
00:14:07: werden.
00:14:08: Langfristig entwickelt sich aber ein China, das immer mächtiger wird, das Einfluss auf
00:14:14: unsere Weltordnung nimmt und da müssen wir uns dann auch damit beschäftigen, wie wir
00:14:19: uns als Österreich, wie wir uns als Mitglied der EU auch da positionieren und auch schauen,
00:14:25: dass wir unsere Sicherheit erhalten können.
00:14:27: Sie haben ja im Risikobild ja auch einen Beitrag verfasst, da geht es um Angriffsszenarien
00:14:32: auf Taiwan und ich spreche das jetzt deshalb an, weil man kann das im Risikobild nachlesen,
00:14:38: den Link haben wir dann in den Show-Notes und Sie haben da so ein Verlaufsdiagramm gemacht,
00:14:43: können Sie das ein bisschen erklären?
00:14:44: Ja, genau.
00:14:45: Wir haben da sogenannte Verlaufsszenarien analysiert und zwar ist das eine Analyse-Methode
00:14:51: aus dem Bereich der strategischen Vorausschau, wo man sich anschaut, wie könnte sich die
00:14:59: Situation eben entwickeln in verschiedenen Szenarien.
00:15:02: Wir gehen nämlich nicht davon aus, dass es eben eine Zukunft gibt, wir wollen eben
00:15:06: auch keine Prognosen abgeben.
00:15:07: sondern wir wollen uns anschauen, welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es und da haben wir uns verschiedene Möglichkeiten angeschaut,
00:15:14: die eben von einer Vollversion Taiwan durch China zum Beispiel, das denken wir da in verschiedenen Schritten durch,
00:15:23: dann schauen wir uns auch an, was passieren kann, wenn es zu einer Blockade kommt, des Seeraumes um Taiwan
00:15:34: und wir analysieren auch, wie es mit der hybriden Unterwanderung Taiwan durch China weiter verläuft.
00:15:42: Und genau dann schauen wir uns an, wie entwickelt sich da die Rolle Chinas als Akteur in den internationalen Beziehungen.
00:15:53: Wir schauen uns an, wie kann sich das langfristige Verhältnis zwischen EU und China entwickeln angesichts dieser Szenarien.
00:16:01: Das ist jetzt auch zum frei Erklären, also wir haben uns da viele verschiedene Punkte angeschaut,
00:16:08: da jetzt ins Detail zu gehen wäre, vielleicht ein bisschen, also ich kann den Hörerinnen und Hörern empfehlen, mal reinzulesen.
00:16:14: Und wir schauen uns einfach an, so als Beispiel, damit das jetzt auch ein bisschen greifbarer wird,
00:16:19: wenn es jetzt tatsächlich zu einer Vollinvasion kommen sollte.
00:16:25: Wie könnte sich dann eben die EU auch verhalten, wie entwickelt sich das Verhältnis?
00:16:30: Es würde wahrscheinlich weiter umso mehr die strategische Partnerschaft zwischen China und die EU darunter leiden, wenn nicht sogar beendet werden.
00:16:38: Die ganze Region wäre davon betroffen, andere Akteure würden in den Konflikt mit einbezogen werden.
00:16:44: Und im Endeffekt würde sich langfristig auch dadurch die Unsicherheit im internationalen System manifestieren
00:16:54: und China zu einem noch unberechenbaren Akteur zum Beispiel werden.
00:16:59: Und so schauen wir uns diese verschiedenen Beispiele eben an.
00:17:02: Herr Brigadier, aus Ihrem Vortrag ist mir ein anderer Satz hängen geblieben, das Gesetz des stärkeren feiert Renaissance.
00:17:10: Heißt das für uns, dass bald das Recht des stärkeren wieder zählt?
00:17:13: Das ist bedauerlicher Weise, ebenfalls nicht auszuschließen.
00:17:17: Das Gesetz des Stärkeren bezieht sich hierbei allerdings nicht nur auf den russischen Akteur, sondern ist natürlich auch auf andere anzuwenden.
00:17:26: Und wenn wir jetzt die letzten Entwicklungen beispielsweise in den USA, in der Trump-2-Administration anschauen,
00:17:35: wo auf einmal hier Forderungen gestellt werden, dass A. entweder Grönland an die USA verkauft werden möge,
00:17:41: weil man sonst keinen militärischen Einsatzmittel ausschließen könnte, bzw. den Panamakanal sich einzugliedern
00:17:50: oder gar zu fordern, dass Kanada sich als 51. Bundesstaat an die Vereinigten Staaten anschließen,
00:17:56: dann ist das auch ein klassischer Ausdruck von der Renaissance des Stärkeren ist das zur Kenntnis zu nehmen.
00:18:05: Es reduziert sich natürlich auch nicht nur auf den USA und Russland, gerade erwähnt auch die dramatischen Entwicklungen,
00:18:14: die nicht ausgeschlossen werden können im Indo-Pazifik.
00:18:17: Wenn wir zum Beispiel zur Kenntnis nehmen, dass es, obwohl völkerrechtswidrig in Ordnung wäre,
00:18:25: dass Russland sich die Ukraine einverleibt, dass die USA sich den Panamakanal eingliedern,
00:18:31: mit welcher Berechtigung wollen sie dann China daran hindern, Taiwan sich einzugliedern.
00:18:37: Das sind also klassische Elemente, wo man sagen muss, dass Recht stärkeren ist bedauerlicherweise vermutlich zurück.
00:18:45: Das führt nämlich zu einem anderen Satz, über den ich immer wieder nachdenken muss.
00:18:50: Auch dieser Satz ist bei der Veranstaltung zum Risikobild gefallen.
00:18:53: Und zwar, alles steht in Disposition.
00:18:55: Unsere westlichen Werte, unsere denkweisen Dinge, die wir bis jetzt für selbstverständlich genommen haben.
00:19:01: Der Generalsekretär hat das gesagt.
00:19:03: Und er hat damit Rechtsstaatlichkeit gemeint, die Form der Demokratie.
00:19:06: Also alles, die zur Disposition ist die Demokratie in Gefahr weltweit gesehen?
00:19:11: Die Demokratie weltweit ist in Gefahr und es gibt bereits etliche Beispiele, die diese Einschätzung unterlegen.
00:19:20: Wir sind hier in Europa insbesondere innerhalb der EU noch weitestgehend gesichert.
00:19:27: Aber ich darf daran erinnern, dass eine eklatante Wahlbeeinflussung durch Russland,
00:19:32: und das ist eine der nächsten klassischen Einsatzmittel der hybriden Kriegsführung,
00:19:36: dazu geführt hat, dass wir uns um zwei europäische Staaten bereits berechtigte Sorgen machen müssen.
00:19:43: Zum einen ist es das Georgien, welches ursprünglich als großer Hoffnungsträger gegolten hatte,
00:19:50: um sich den westlichen der regelbasierten Weltoordnung anzuschließen.
00:19:55: Und dementsprechend wurden ja auch von der EU die ersten Gespräche eingeleitet.
00:19:59: Um eines Tages möglicherweise oder sogar hoffentlich die Georgier in der Europäischen Union begrüßen zu dürfen.
00:20:07: Georgien ist bereits weggebrochen und folgt dem Russischen Einfluss.
00:20:11: Das zweite Beispiel in Europa ist Moldau. Hier hat es Präsidentschaftswahlen im November gegeben,
00:20:17: die letztendlich und nur in letzter Minute durch das Wahlverhalten von sogenannten Ex-Pads,
00:20:25: das sind also jene Moldauer, die außerhalb Moldaus wohnen, den Ausschlag gegeben hat.
00:20:31: Das war allerdings nur ein sogenannter Testingground für Moldau,
00:20:35: weil die wesentlich wichtigeren Wahlen werden es dem November des heurigen Jahres stattfinden
00:20:41: und hier werden große Anstrengungen zum Unternehmen sein, um Moldau nach wie vor zu unserer westlichen Welt in Zukunft auch zählen zu dürfen.
00:20:50: Die Publikation über das Risikobild trägt ja auch den Titel diesmal "Gewählt Demokratie und die Freiheit".
00:20:59: Weil 20/24 war ja ein Superwahljahr, in mehr als 60 Staaten der Welt konnten etwa 4 Milliarden Menschen ihre Stimme abgeben,
00:21:06: das sind rund 45 Prozent der Weltbevölkerung. Welche Auswirkungen hat das jetzt nun auf die Zukunft,
00:21:12: dieses Superwahljahr aus ihrer Sicht?
00:21:15: Diese Einschätzung muss derzeit noch mit einer gewissen Vorsicht unterlegt werden.
00:21:21: Wir haben als ganz entscheidende Wahl natürlich jene gehabt in den Vereinigten Staaten von Amerika.
00:21:28: Es ist mit Donald Trump, dem US-amerikanischen Präsidenten, so, dass hier eine gewisse Unberechenbarkeit immer ins Kalkül gezogen werden muss.
00:21:40: Wir haben heute schon ein paar Beispiele gebracht, wo also außenpolitisch und verteidigungspolitisch in einem Topf umrührt,
00:21:47: der von der restlichen regelbasierten Weltordnung so einfach nicht zur Kenntnis genommen werden kann.
00:21:53: Das heißt, wir müssen uns hier wirklich anschauen, wie sich diese Entwicklung in weiterer Folge möglicherweise noch zuspitzt.
00:21:59: Genauso seine Absicht, wir wissen das, wir kennen seine Aussage vom April des vergangenen Jahres, wo er noch gar nicht Präsident war,
00:22:08: dass er den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beendet, die Zeit ist wohl vorbei, das schafft er nicht mehr.
00:22:15: Die nächste Zeitleiste die er sich gesetzt hat, sind 100 Tage, ob ihm das gelingen mag, wird wirklich von entscheidender Bedeutung sein.
00:22:23: Und vor allem, wie er es tut, ob er bereit ist, auch die europäischen Staaten, auf dessen Territorium ja der Krieg stattfindet, einzubinden.
00:22:34: Und ob er auch bereit ist, die Ukraine in die Waffenstillstands- oder gar Friedensverhandlungen einzubeziehen oder ob er sich quasi als Geschäftsmann allein seines Gegenübers des russischen Präsidenten Putin bedient.
00:22:49: Aber ja, die Demokratie ist gefährdet und sie ist nicht nur gefährdet in Europa, sie ist längst schon in anderen Staaten gefährdet.
00:22:56: Da müssen wir nur nach Afrika schauen, wo die Destabilisierungsmaßnahmen eine klassische Variante der hybriden Kriegsführung, vor allem durch Russland, dafür sorgt, dass hier Putsche gefördert werden, Umstürze gefördert werden,
00:23:10: wo man dann letztendlich vor allem in der Sahelzone, das in den letzten zwei Jahren bedauerlicherweise zur Kenntnis nehmen, hier Militärjunta eingerichtet wurde, die letztendlich als willfährige russische Marionettenregierungen einzustufen sind.
00:23:25: Ich habe dann gleich eine Frage an Sie beide. Es gibt ja den einheitlichen Tenor, Europa muss stärker auftreten. Das war jetzt nicht nur bei der Veranstaltung der Tenor, es ist auch jetzt generell, wenn man in den Medien schaut, da gibt es viele Schlagzeilen dazu oder bei verschiedenen Treffen auf EU-Ebene, wird das immer wieder gesagt.
00:23:43: Also Europa muss stärker auftreten. Doch was ist, wenn die Mitgliedstaaten uneinig sind, wenn immer mehr Staaten in verschiedenen Bereichen ihrer eigenen Wege gehen wollen? Was macht man da, Frau Prägler?
00:23:53: Ja, das ist ein großes Problem für die EU, auch als Akteur auf der internationalen Ebene. Es ist sehr wichtig aufzupassen, dass wir dadurch nicht ins Hintertreffen geraten.
00:24:06: Da geht es um Technologien, da geht es um Innovationen und wir müssen schauen, dass wir eben wieder mehr zusammenhalten, unsere Industrie weiterentwickeln und eben nicht zwischen den USA und China beispielsweise zerrieben werden.
00:24:21: An diesem Punkt befinden wir uns mittlerweile. Das wird sich jetzt nicht im nächsten Jahr direkt äußern, aber das ist ein Prozess, den wir jetzt schon, wo wir sehen, dass der jetzt schon einsetzt und wo wir jetzt noch gegensteuern können.
00:24:33: Es ist ganz wichtig, auch den Leuten zu vermitteln. Wir können noch handeln. Wir sind nicht der Situation ausgeliefert, aber es ist wichtig zu handeln, es ist wichtig wieder zusammenzufinden und als geeintes Europa eben stärker aufzutreten.
00:24:46: Herr Brigadier, was sagen Sie dazu?
00:24:49: Wie bereits erwähnt, ist das eines der wesentlichsten Ziele der hybriden Kriegsführung, genau jenen Zusammenhalt, jene Kohäsion, die Sie gerade ansprechen, zu unterminieren und zu erschüttern.
00:25:02: Die Problematik der hybriden Kriegsführung ist, wie gesagt, ganz oben auf der Agenda auch der Europäischen Union angekommen. Erst diese Woche hat es ein Treffen der Außenminister gegeben, um sich bewusst der Problematik der hybriden Kriegsführung und deren Auswirkungen, nämlich auf die Resilienz der europäischen Unionstaaten zu fokussieren.
00:25:24: Es ist allerdings auch so, dass die hybride Kriegsführung Russlands in diesem Fall nicht darauf abzielt, dass zusätzliche Staaten die europäische Union verlassen, sondern das wäre von weniger Vorteil gezeichnet, als wenn sie drin bleiben.
00:25:46: Der Grund dafür ist ganz einfach. Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa fußt auf den Prinzip der Einstimmigkeit.
00:25:56: Wenn es also gelingt, Russland so eine Einwirkung auf einzelne Staaten auszuüben, dass sie dann nicht mehr mitstimmen, ein Veto einlegen, dadurch wird die EU blockiert beziehungsweise handlungsunfähig.
00:26:13: So gibt es bereits aktuelle Beispiele. Die Unterstützungmaßnahme für die Ukraine im Rahmen der sogenannten European Peace Facility wird derzeit durch Ungarn blockiert.
00:26:24: Die EU hat derzeit keine Möglichkeit, als pausenlos auf den EU-Unionstaat Ungarn einzuwirken, um diese blockade Haltung zu lösen.
00:26:35: Fazit daraus, je erfolgreicher die russische hybride Kriegsführung ist und je mehr Staaten sich abwenden, im Sinne von Unterstützung einstellen für die Ukraine, beziehungsweise die gemeinsam beschlossene Politik der Sanktionen gegen Russland aufzuheben, umso mehr wird die EU handlungsunfähig.
00:26:59: Das heißt, Frau Prägler, dann müssten die EU-Mitgliedstaaten dann noch mehr kooperieren, als sie es bis jetzt getan haben?
00:27:05: Ganz genau.
00:27:06: Was können wir noch machen, außer Kooperation und dass Europa aufwacht. Wie sieht es mit Österreich aus?
00:27:13: In Österreich sind wir generell auf einem guten Weg, würde ich meinen. Allein, dass das Verteidigungsbudget für das österreichische Bundesheer signifikant erhöht wurde, zeigt uns, dass von der Politik verstanden wurde, dass die Periode der sogenannten Friedensdividende aus den 1990er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts endgültig vorbei ist.
00:27:35: Und ich habe in meiner Präsentation auch das drastische Beispiel die Aussage des britischen Außenministers diesbezüglich vor zwei Wochen dargelegt.
00:27:44: Was die EU machen muss und das tut sie bereits. Die Kooperation mit der NATO wird intensiviert, weil die NATO natürlich jenes Instrument ist, welches letztendlich durch Abschreckung und Verteidigung Europa in die Lage versetzt, sich gegen eine Ausweitung zu machen.
00:28:04: Und deswegen eine Ausweitung des Konfliktes in der Ukraine zur Wehr zu setzen. Ein Aspekt vielleicht noch, weil der mitunter vergessen wird. Und das ist die globale Dimension, sprich die Vereinten Nationen.
00:28:17: Hier ist es natürlich auch ein Teil der hybriden Kriegsführung, das zur Anwendung gebracht wird, nämlich bewusst die Entscheidungsfindung der Vereinten Nationen und damit deren Beschlussfähigkeit durch das Einsetzen von Veto-Rechten, die sowohl Russland besitzen als auch die Chinesen besitzen, einzusetzen.
00:28:38: Das heißt jetzt, Europa muss zu sich selbst finden und überlegen auch, welche Rolle es einnehmen möchte und sich einfach mit sich selbst beschäftigen. Sehe ich das richtig?
00:28:49: Absolut. Aber wie ich gerade erwähnt habe, auch Europa ist auf einem guten Weg. Wir erwarten also im März des nächsten Jahres die Veröffentlichung des sogenannten Weißbuchs für Verteidigung der EU, an denen alle Mitgliedstaaten natürlich mitgewirkt haben.
00:29:06: Und zum anderen ist es auch die Ausarbeitung der sogenannten Bereitschaftsstrategie, die auf einem Konzeptpapier des ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Sauli Niinistö fußt, der wiederum mittlerweile als Sonderbeauftragter der EU für diese Thematik eingeteilt worden ist und in dessen Inhalt ganz klar jene Maßnahmen angeführt werden, die erfolgreich klingen.
00:29:33: Das ist ein schönes Schlusswort. Vielen Dank. Wir machen hier jetzt einen Punkt, den wir noch stundenlang darüber reden. Ich sage mal vielen Dank fürs Kommen, vielen Dank fürs Zuhören und hört auch beim nächsten Mal bitte wieder her.
00:29:55: Das war HEERgehört der Bundesheerpodcast.
00:30:00: Ihr habt Fragen, Feedback oder Themenwünsche? Schreibt uns eine Mail an podcast@bundesheer.at. Wir freuen uns auf euch.
00:30:09: [Musik]
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